Jeanne Schär, Bewohnerin

«Die Kurse, die ich früher an der Fachhochschule besucht habe, waren für mich wie Ferien.»

Jeanne Schär hat in der Metzgerei ihres Mannes gearbeitet und nebenher acht Kinder grossgezogen. Ihren herzerfrischenden Humor hat sie in nahezu 100 Lebensjahren nicht verloren, und mit den etwas eigenwilligen Überzeugungen ihres Mannes konnte sie liebe- und humorvoll umgehen. Im süssbach ist sie seit 12 Jahren.


Jeanne Schär würde man heutzutage eine Powerfrau nennen, sie selbst allerdings macht keinerlei Aufhebens um das, was sie geleistet hat: acht Kinder grossgezogen, gleichzeitig in der Metzgerei ihres Mannes gearbeitet und gelegentlich noch Kurse an der Fachschule besucht. «Aber das waren für mich Ferien», sagt sie. Wie sie das alles geschafft hat? «Das weiss ich nicht mehr». Aber es spielt ohnehin keine Rolle, entscheidend ist, dass sie eine grosse glückliche Familie waren. Inzwischen sind noch 16 Enkel und 12 Urgrosskinder dazugekommen. Ihr Mann ist schon vor über 30 Jahren gestorben. Er war schwer krank, musste öfters ins Spital – aber seine Frau, obwohl sie den Führerschein hatte, durfte ihn nicht fahren. «Eine Frau hat nichts zu suchen am Steuer», verkündete er und forderte einen männlichen Fahrer, den sie für ihn organisierte. «Mein Mann war sehr gut, aber er hatte einen Berner Grind», kommentiert Jeanne Schär lachend die Eigenheiten ihres Mannes. Als er starb, überstand sie die Beerdigung ohne Tränen – «ich will doch nicht eine Schau bringen, wenn alles zuschaut» –, abends kam der Zusammenbruch und am nächsten Morgen stand sie wieder in der Metzgerei.

Sie hat früh gelernt, sich zu arrangieren, daheim und in der Schule. Die siebte Klasse, die sie in Gipf-Oberfrick (AG) verbrachte, war schlimm, erzählt sie. «Wissen Sie, ich bin reformiert und der Lehrer war katholisch, und ich konnte das katholische Vaterunser nicht und dann gab es immer Ohrfeigen.» Den Eltern davon zu erzählen, hätte nichts genutzt. Also hat sie die Zähne zusammengebissen und sich aufs Haushaltsjahr gefreut. Eigentlich wäre sie gerne Damenschneiderin geworden, aber die Eltern hatten zu wenig Geld. «Also musste ich schon mit 15 für eine Familie kochen. Am Morgen Rösti, zum Mittag Salzkartoffeln und zur Nacht Rösti. Das hatten alle Bauern. Rösti und Rösti und Rösti, aber man machte sie gut.»

Ihre eigenen Kinder haben alle eine Ausbildung, und obwohl Jeanne Schär natürlich niemals damit plagiieren würde, merkt man: Sie ist stolz auf ihre fünf Töchter und drei Söhne. Eine Tochter lebt in Thailand, alle anderen sind in der Nähe und alle zusammen kümmern sich nach Kräften um ihr Wohlergehen. Auch sie sind stolz auf ihre starke, lebenslustige Mutter, die früher gerne Handarbeiten gemacht hat, Kreuzworträtsel lösen kann und zusammen mit ihren Freundinnen Gesellschaftsspiele macht. Pragmatisch bewältigen die patenten Damen gemeinsam die Malaisen des Alters: Jeanne Schär liest vor, weil sie gute Augen hat, eine Freundin kann noch gut marschieren und hilft ihr beim Überwinden der Terrassentür.

Heutzutage, stellt die 99-Jährige fest, gehen die jungen Frauen einfach, wenn ihnen etwas nicht passt. Sie sieht das kritisch. «Man kann nicht davonlaufen, wenn man Kinder hat.» Sie selbst ist nie davongelaufen. Sie hat gelacht.