Ernesto Tschumi, Bewohner

«Hier treffe ich immer auf eine Person, die zu Spässen aufgelegt ist.»

Eigentlich heisst er Ernst, aber das passt wirklich nicht zu dem allseits beliebten Spassvogel, daher nennen ihn alle Ernesto. Er ist weit gereist und hat viel zu erzählen. In Mexiko erschoss die Polizei vor seinen Augen drei Geldräuber, und plötzlich spürte er selber einen Gewehrlauf im Rücken ...


Cancún in Mexiko, eine Stadt an der Küste der Halbinsel Yucatán, zählt zu den beliebtesten Ferienzielen weltweit. Auch Ernesto Tschumi genoss seinen Karibikurlaub, das luxuriöse Hotel, den Whirlpool, die traumhaften Sandstrände. Bei einem Spaziergang ausserhalb des Hotels wurde er Zeuge eines Raubüberfalls: «Die Polizei hat alle drei erschossen, sie lagen vor meinen Füssen. Das Blut lief mir über die Schuhe. Die Polizei hat gemeint, ich sei auch beteiligt, sie drückten mir die Gewehre in den Rücken.» Das traumatische Erlebnis hat seine Reisefreude nicht beeinträchtigt. Er war mehrmals in Bulgarien, Ägypten, Jamaika, Guatemala. Auf den Seychellen ist er einmal fast ertrunken: «Ich kann ja nicht schwimmen, wir hatten kein Schwimmbad auf dem Bauernhof», erklärt er.

Der Bauernhof, das ist die Sennhütte in Effingen, gute zwei Stunden Fussweg von Brugg entfernt. Heutzutage ist sie ein beliebtes Ausflugslokal mit Herberge. Als Ernst Tschumi dort als Zweitjüngster von acht Geschwistern aufwuchs, herrschte jedoch bittere Armut. Mangels Velo lief er eineinhalb Stunden zu Fuss in die Schule und wieder zurück, auch im strengsten Winter. Er erinnert sich an einen Skiausflug mit der Klasse: «Ich hatte nicht einmal Skier. Sie haben ein grosses Feuer gemacht und die meisten von meinen Freunden hatten einen Cervelat dabei. Ich hatte nicht einmal einen Apfel. Das wurmt mich heute noch.» Nach der Sekundarschule arbeitete der sportliche und immer zum Scherzen aufgelegte junge Mann bei der Brief- und Paketpost in Brugg und Windisch, später im Bewachungsgewerbe bei der Securitas. 1970 heiratete er seine grosse Liebe Ruth, sieben Jahre später kam Stefan auf die Welt. Seine Frau starb mit gerade mal 43 Jahren, und von da an kamen die Einschläge immer näher: Zwei seiner Geschwister starben, mehrere gute Freunde, seine geliebten Katzen. Die Gesundheit macht ihm zunehmend zu schaffen; im Spital hat man ihn schon mehrmals aus dem Koma zurückgeholt. Er erinnert sich, wie er einmal in einem Raum voller Rauch lag: «Unser Herrgott sass in einem Stuhl, da habe ich geredet mit ihm und er hat die Hand ausgestreckt und die Lebensstrahlen gingen zu mir. Da erwachte ich wieder. Ja, ich hatte immer drei Engel.»

Einer der Engel hat ihn offensichtlich mit unerschütterlichem Humor und Menschenfreundlichkeit beschenkt. Ernesto Tschumi ist bereits über Brugg hinaus bekannt als «der Tschumi», der oft beim Wunschkonzert der SRF-Musikwelle anruft, seinen Freunden und Mitbewohnern zum Geburtstag gratuliert und Geschichten von sich und Kater Simba erzählt. Am Todestag seiner Frau grüsst er sie und seine Katzen im Himmel. Einen richtigen Fanclub hat er schon bei den Hörerinnen und Hörern der Musikwelle. Zu den grössten Fans gehören seine Enkelkinder, ein Bub und ein Mädchen. «‹Opi, hab dich gern› sagen sie immer». Ernesto Tschumi strahlt übers ganze Gesicht. Seinen Enkeln wird er wohl auch drei Engel mit auf den Weg geben.